Das Jahresthema bildet einen roter Faden durch das Ausstellungsprogramm und erleichtert so den Zugang zu zeitgenössischer Kunst und bietet einen Erkenntnisgewinn durch die konzeptionelle Verbindung der einzelnen Ausstellungen. Eine Auswahl von unterschiedlichen künstlerischen Strategien und Inhalten sowie verschiedenen Kunstmedien sorgen für einen spannenden Überblick.
Das Jahresthema Geschichte bezieht sich auf den Umgang mit und die Darstellung von Geschichte in der zeitgenössischen Kunst. Anlass, das Thema gerade im Jahr 2020 vorzustellen, ist das doppelte Jubiläum 15 Jahre Europäisches Künstlerhaus und 200 Jahre Schafhof, welches der Bezirk Oberbayern 2020 feiert. Wie alle Jahresthemen behandelt es Fragestellungen, welche aktuell bei den Kunstschaffenden stark präsent sind. Es ist ein Thema mit starkem inhaltlichen Zugang, wie z.B. Identität (2016) und Emotion (2018) im Gegensatz zu eher auf formale Aspekte ausgerichtete Themen wie z.B. Farbe (2013), Struktur (2015) und Sound (2017).
Im Altertum wurden geschichtliche Ereignisse mit der mythischen Götterwelt eng miteinander verbunden. Zum Beispiel wurden Schlachten von Göttern gekämpft und entschieden, die Helden sind Auserwählte der Götter, Städte wurden an mythischen Orten gegründet, Herrscherdynastien beriefen sich auf göttliche Abstammung. Auf dem Pergamonaltar z.B. wird die Gründung der Stadt mit einem Zyklus von Reliefbildern mit der Legende von Telephos erzählt, die Stadtgründung Roms wurde mit zahlreichen Darstellungen von der Geschichte um Romulus und Remus verbunden. In der religiösen Kunst des Mittelalters wurden historische Bezüge in die Darstellung biblischer Szenen eingebettet.
Die Ursprünge der Historienmalerei reichen bis ins 15. Jahrhundert in die Renaissance zurück. Charakteristisch war, dass Personen oder Ereignisse namentlich bekannt waren und eine Verweltlichung der Kunst stattfand. Gleichzeitig entwickelte sich das künstlerische Darstellungsvermögen z.B. mit der Neuentdeckung der Perspektive. Eine große Epoche der Schlachtenmalerei brach an, aber statt der Darstellung der historischen Gefechtslage waren die Kompositionen oft auf Dramatik und Wirkung angelegt, zahlreiche Motive und Posen wurden aus der Antike übernommen. Im 17. und 18. Jahrhundert war die bildende Kunst wegen der zahlreichen Kriege stark durch die Historienmalerei geprägt. Im 19. Jahrhundert gaben die Nationalbewegungen dem Genre einen neuen Schwung, die Geschichte der einzelnen Völker wurde neu interpretiert und emotional aufgeladen.
Mit der Entwicklung technischer Verfahren wie Fotografie, Tonaufnahme und Film im 19. und 20. Jahrhundert wurden die mediale Aufarbeitung und die authentische Dokumentation von Ereignissen Teil der bildenden Kunst. Trotz oder gerade wegen der authentischen Wirkung ist in diesen Medien die Möglichkeit zur emotionalen Manipulation sehr hoch. Beispiel dafür sind z.B. die Schnittfolge im Film „Panzerkreuzer Potemkin“, einem der herausragenden Beispiele sowjetischer Propaganda, oder „Triumph des Willens“ von Leni Riefenstahl über den Reichsparteitag 1934 in Nürnberg.
In der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden mit der Erweiterung des Kunstbegriffs durch Joseph Beuys und dem reflexive Charakter von konzeptionellen Kunstrichtungen die historischen und gesellschaftlichen Verhältnisse stark thematisiert. Die Malerei hat sich seitdem bis zur Gegenwart durch die Reflexion und die Aufnahme von Elementen der elektronischen Medien neu definiert. Oft findet eine Transformation zwischen den verschiedenen Medien wie Fotografie, Video, Computergrafik und Malerei statt. Herausragende Beispiele sind z.B. die „Foto-Bilder“ von Gerhard Richter, die sich mit der deutschen Geschichte auseinandersetzen.
Im Zuge der Digitalisierung wurden die medientechnischen Möglichkeiten Anfang des neuen Jahrtausends von allen und jederzeit nutzbar. Private Aufnahmen und digitale Simulationen von Ereignissen wurden Teil des Kunstschaffens. Videoaufnahmen mit Smartphones ermöglichten die unmittelbare Nähe zu den Ereignissen, Computertechnik und moderne Bildgebungsverfahren können zur Recherche und Visualisierung von Zusammenhängen verwendet werden.
Die Ausstellungen zum Jahresthema Geschichte im Europäischen Künstlerhaus zeigen ab Ende April eine große Spannbreite von künstlerischen Mitteln und unterschiedlichen Perspektiven auf das Thema. Dabei werden Werke vorgestellt, die sich auf künstlerische Weise mit Fragen der Zeit, der Vergänglichkeit, der Wahrnehmung von Geschichte und Vergangenheit befassen oder mit ihnen im Zusammenhang stehen:
Oswiecim ‒ Dachau: Thematisierung von Geschichte in den Kunstwerken und durch die Verbindung der Orte mit gemeinsamer Geschichte
Neuaufbruch ‒ Verbindung von stadtgeschichtlicher Dokumentation und ortsspezifischen Kunstwerken, in Zusammenarbeit mit dem Stadtmuseum Freising
Forensic Architecture ‒ Digitale Bildgebungsverfahren als Mittel zur Recherche und Rekonstruktion von Ereignissen
Andreas Kuhnlein: Das Narrenschiff ‒ Das Skulpturenensemble thematisiert die Protagonisten aller geschichtlichen Ereignisse, die Menschen, uns selbst.
Bernd Zimmer: Naturgeschichte(n) ‒ Die großformatigen Gemälde greifen Natur und Naturgeschichte, also die Entstehung und Entwicklung des Lebens malerisch auf.
Ausstellungen
Sommer (März-Okt)
Di - Sa 14-19 Uhr
So + Feiertage 10-19 Uhr
Winter (Nov-Feb)
Di - Sa 14-18 Uhr
So + Feiertage 10-18 Uhr
... weiterlesen
In jedem Jahr werden mehrere Ausstellungen durch ein Thema in einen Kontext gestellt. Verschiedene Perspektiven auf ein Thema erleichtern den Zugang und steigern Verstehen und Spaß beim Erleben von Kunst.
2024: Stories