Der Begriff Struktur wird nicht nur in der Kunst, sondern auch in den Geistes- und Naturwissenschaften verwendet. Das Konzept der Ausstellungsreihe im Jahr 2015 stellt Werke der Bildenden Kunst vor, in denen Strukturen eine grundlegende Rolle spielen. Diese wiederum beziehen sich aber auch auf die Strukturen in anderen Lebensbereichen, wie z.B. gesellschaftliche oder mathematische Strukturen.
Seit Beginn der Menschheitsgeschichte wurden die mikro- und makrokosmischen Strukturen in der Natur beobachtet und analysiert und es wurde versucht, Erklärungen und Sinn für ihre Existenz zu finden. Die Darstellungen der zyklischen Veränderungen in der Natur, der Sternbilder, des menschliche Körpers und von Tiergruppen sind Themen von jahrtausendealten Bildern, die man als frühe Kunstwerke bezeichnen könnte.
Im Laufe der Kunstgeschichte haben sich zwei Prinzipien entwickelt, wie ein Künstler sich der Realität nähert: das mimetische (abbildende) und das konstruktive (erschaffende) Prinzip. In jeder kunstgeschichtlichen Epoche sind beide Prinzipien vertreten, aber jedesmal mit unterschiedlicher Dominanz.
Mimesis ist ein platonisch-aristotelischer Begriff, seine Hauptbedeutung liegt auf der Repräsentation der Wirklichkeit, der Darstellung des Verhältnisses zwischen Realität und Mensch, der Subjektivität. Eine ihrer mit der Zeit bis zur Vollkommenheit entwickelten Methoden zur Darstellung der sichtbaren Realität ist die Illusion, das Jahresthema 2014 der Ausstellungen am Künstlerhaus.
Ausgangspunkt des Konstruktionsprinzips ist der Annäherung an die physikalische Realität über die Erkundung der vom Menschen unabhängigen Wirklichkeit, die Objektivität. Diese steht den Wissenschaften näher, indem sie forscht, beobachtet, ordnet und analysiert. Die konstruktive Prinzip steht in solchen Epochen im Vordergrund, in denen sich Wissenschaft und Kunst annähern. So spielten z.B. während der epochalen Umwälzungen der Renaissance bei den Neuerungen in der Wissenschaft künstlerische Erfindungen (Leonardo) und in der Kunst technische Entwicklungen (Buchdruck, Dürer) eine große Rolle.
In den folgenden Zeitabschnitten stand die Meinung im Vordergrund, dass Wissenschaft und Kunst Gegensätze seinen und sich in ihren Zielen, Ergebnissen, Mitteln nicht aufeinander beziehen. In der Bildenden Kunst wurde wieder das Prinzip der Mimesis beherrschend mit Höhepunkten im Illusionismus des Barocks und im Impressionismus. Auf den traditionallen Gebieten der Kunst wie Architektur, Bildhauerei und Malerei geschahen lange Zeit keine entscheidenden technischen Veränderungen, im Grunde lösten Geschmack- und Stilepochen einander (den Veränderungen in der Gesellschaft folgend) ab.
Mit dem explosionsartigen Paradigmawechsel in Wissenschaft und Technik Ende des 19. / Anfang des 20. Jahrhunderts gelangte allerdings auch die Kunst zu einem Wendepunkt: Mit dem Aufkommen der Moderne ändert sich das Verhältnis von Mimetischem und konstruktivem Prinzip wieder. Bestimmten bis dahin in der Architektur meist nur an den Fassaden angebrachte Ornamente die Stilrichtungen (z.B. Jugendstil), so wurden nun plötzlich die Konstruktionselemente sichtbar und es wurden neue Baumaterialien verwendet (Beton, Stahl, Glas, usw.). Die Avantgardkunst entwickelte sich parallel dazu: Kubismus, Futurismus, Konstruktivismus. Mit den neuen Technologien entstanden gleichzeitig neue Kunstgenres wie Foto und Film. Der Funktionalismus, das Design, die Verbindung von Form und Funktion werden thematisiert.
Mit der Neoavantgarde der 1960er Jahre erfolgte ähnlich wie am Anfang des Jahrhunderts eine Verstärkung der konstruktiven Aspekte in der Bildenden Kunst. Wieder gelangte die Wissenschaft in den Vordergrund, neue Kunstgenres entstanden mit Schwerpunkt auf der Erfahrung von Bewegung und Zeit, z.B. Videokunst, Performance, Fluxus, Installationen. Eine wichtige Tendenz in der Bildenden Kunst bildete sich mit der Weiterentwicklung der geometrischen Abstraktion heraus, die Konkrete Kunst. Thema sind die Wechselwirkung von Bildender Kunst mit Mathematik und die Visualisierung mathematischer Ideen.
In dieser Zeit erlangte die Philosophie einen starken Einfluss auf Wissenschaft und Kunst. In den gesellschaftlichen Diskussionen bekam der Strukturalismus mit den Schriften von Claude Lévi-Strauss in den 1930er Jahren hohe Bedeutung. Angefangen als Methode zur Beschreibung ethnischer Strukturen entwickelte er sich in den 1950er und 1960ger Jahren unter anderen mit Jacques Derrida zum Mittel der Strukturanalyse in der Soziologie, aber auch in der Literatur und in den Bildenden Künsten. Mit dem Aufkommen des Poststrukturalismus’ in den 1970er Jahren wurden künstlerische Mittel wie die Zitatpraxis, veränderter Kontext und Bedeutungsverschiebungen thematisiert.
Die Formensprache der verschiedenen künstlerischen Genres, die eine immer stärkere gegenseitige Wirkung aufeinander ausübten, vermischte sich. In Malerei, Fotografie, Film, Performance, Konzeptkunst und Installationen wurden Ausdrucksformen und Elemente voneinander übernommen und weiter entwickelt.
In der heutigen Zeit bieten neue Kommunikationsmittel und globale Medien neue Möglichkeiten für die Bildende Kunst, die Digitalisierung erlaubt eine Vermischung aller audiovisuellen Medien und die Einbeziehung interaktiver Elemente, das Internet eine schnelle Verbindung über kulturelle und geografische Grenzen hinweg.
Wie könnte die künstlerische Herangehensweise bei der Bildung von Strukturen aussehen?
Von dieser Vielfalt wird die Ausstellungsreihe im Jahr 2015 einige mögliche Aspekte vorstellen und visualisieren.
Eike Berg
Ausstellungen
Sommer (März-Okt)
Di - Sa 14-19 Uhr
So + Feiertage 10-19 Uhr
Winter (Nov-Feb)
Di - Sa 14-18 Uhr
So + Feiertage 10-18 Uhr
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In jedem Jahr werden mehrere Ausstellungen durch ein Thema in einen Kontext gestellt. Verschiedene Perspektiven auf ein Thema erleichtern den Zugang und steigern Verstehen und Spaß beim Erleben von Kunst.
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