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Jahresthema 2016: IDENTITÄT

Die etymologische Wurzel des Begriffs Identität liegt in den beiden lateinischen Demonstrativpronomen idem und ipse. Sie prägen zwei unterschiedliche Bedeutungen des Wortes identisch – nämlich erstens im Sinne von gleichartig oder unveränderlich und zweitens im Sinne von mit sich selbst gleich. Das Identische ist also einerseits (im Sinne von idem) das, was sich selbst gleich bleibt und in der Zeit unveränderlich ist. Sein Gegenteil wäre das Verschiedene oder das Veränderliche. Und das Identische ist andererseits (im Sinne von ipse) das, was mit sich selbst gleich ist.

Auch wenn diese Bedeutungen unsere Vorstellung von Identität bis heute prägen, verändert sich der Begriff mit der Zeit und entsteht nur in Bezug auf die Außenwelt. Die Identität im gesellschaftswissenschaftlichen Sinne entsteht durch die Sozialisation. Die Ausbildung des Ichs im Individuum wird dabei durch verschiedene Gruppenzugehörigkeiten geprägt. Darüber hinaus wird die persönliche Identität durch die eigene Körpererfahrung bzw. durch deren Veränderung im Laufe des Alterns mitbestimmt.

In der Geschichte der bildenden Kunst findet sich das Motiv der Identität in den verschiedenen Epochen in unterschiedlicher Intensität. In der klassischen griechisch-römischen Kultur wurden die künstlerischen Mittel zur genauen Herausarbeitung und Gestaltung von menschlichen Körper und Gesicht entwickelt. Zahlreiche Portraits von bekannten Persönlichkeiten sowie typisierte Figuren wie Sportler und Herrscher sind besonders in der Bildhauerei aus dieser Zeit erhalten.

In der Romanik und Gotik trat die Darstellung von Individualität in den Hintergrund, stattdessen bestimmten Gruppenzugehörigkeiten die Motive. In Europa waren Kunstwerke hauptsächlich im christliche-religiösen Umfeld zu finden, die Persönlichkeiten wurden über stilisierte Attribute wie Gegenstände, Frisur, Kleidung und Farben symbolisch kenntlich gemacht, wie der Heiligen Peter mit Tonsur und Schlüssel, Maria im blau-rotem Kleid, die Evangelisten mit Tierfiguren, usw. In der profanen Kunst wurden die Dargestellten durch Wappen und Insignien identifiziert.

Die Ära der Renaissance kehrte zur griechisch-römischen Tradition der individuellen Darstellung zurück. Der Künstler wurde als Individuum wahrgenommen, durch ihre Signaturen wurden die Zusammenhänge eines Oeuvres hergestellt. Zahlreiche neue Kunstgenres entstanden, wie z.B. die Portraitmalerei, das Selbstportrait und die Landschaftsmalerei. In den vom erstarkenden Bürgertum bestellten Bilder wird die Persönlichkeit der Portraitierten durch die detaillierte Darstellung ihrer konkreten Umgebung, das Interieur, Kleidung und Gegenstände ergänzt, die den gesellschaftlichen Status und modischen Geschmack reflektieren. Im Barock gerieten das Pathos und eine starke emotionelle Darstellung in den Vordergrund. Die Darstellung des menschlichen Körpers und tiefer Schichten der Persönlichkeit erreichten z.B. mit Rembrandt und Rubens einen Höhepunkt.

Mit der Aufklärung änderte sich das Verständnis der Menschen zu sich selbst grundlegend. Das Ich und seine Vernunft bilden den Kern der Identität und werden zum Zentrum der natürlichen und gesellschaftlichen Prozesse. Im Klassizismus wird dabei auf die künstlerischen Formen der griechisch-römischen Vorbilder zurückgegriffen. Im 19. Jahrhundert verstärkt sich dagegen die Herausbildung nationaler Identitäten, in deren Folge sich z.B. die Historienmalerei als Propagandamittel verbreitet.

Am Anfang des 20. Jahrhunderts rückt mit dem Bekanntwerden der Psychoanalyse wieder das Individuum identitätsstiftend in den Mittepunkt. Dabei kann das Ich auch krank oder deviant sein: Die Wirkung von Wahnsinn, Psychose oder Delirium ist oft ein Motiv der Avantgardkunst dieser Zeit. Die Selbstreflektion wird durch einen extremen Gruppenzwang der folgenden Diktaturen kontrakariert, Persönlichkeit wird durch Ideologien ersetzt, alle Andersdenken werden unterdrückt, besonders die als krankhaft oder minderwertig deklarierten Gruppen. Die Propagandakunst dieser Zeit spiegelt diese menschenverachtende Sichtweise wider.

Kein Wunder, dass nach dem 2. Weltkrieg (zumindest in der westlichen Welt) die Suche nach der persönlichen Identität wieder in den Vordergrund gerät: Die Neudefinierung von gesellschaftlicher, politischer, ethnischer, geschlechtsspezifischer, religiöser Identität, der Gegensatz von Jung und Alt, aber auch die Identität und Rolle des Kunstschaffenden wird von der Neoavantgarde aufgenommen. Neue Kunstsparten entstanden nicht nur durch technische Errungenschaften, sondern auch als Medien zur Selbstdarstellung, in der der eigene Körper eine zentrale Rolle spielt, wie z.B. im Wiener Aktionismus, Fluxus, Performances, Body-Art. Die Wandlung der Identitätsvorstellung wurde auch am zunehmend permutativen Charakter von Identitäten thematisiert, wie sich etwa am Umgang mit der Geschlechtsidentität in den Arbeiten z.B. von Andy Warhol und Cindy Sherman beobachten lässt.

Durch die wachsende Globalisation, Migration und Multikulturalität wird die heutige, vielschichtige Gesellschaft - und damit auch die zeitgenössischen Kunst - immer stärker von der oft mit Konflikten beladenen Frage nach der Identität geprägt. Das Thema ist aktuell und relevant, im Ausstellungsprogramm des Künstlerhauses zeigen wir 2016 einige Aspekte daraus.

Eike Berg

Öffnungszeiten

Ausstellungen

Sommer (März-Okt)
Di - Sa 14-19 Uhr
So + Feiertage 10-19 Uhr

Winter (Nov-Feb)
Di - Sa 14-18 Uhr
So + Feiertage 10-18 Uhr
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Das Titelbild des Flyers über die Kunstwerke im Skulpturengarten im Außenbereich des Schafhofs - Europäisches Künstlerhaus Oberbayern zeigt die Skluptur "SpaceSheep" des ungarischen Künstlers Csongor Szigeti, ein silbernes, halb abstraktes Schaf auf einer Wiese.
Flyer über den Skulpturengarten im Außenbereich des Kunstforums
Zum Herunterladen: PDF 10 MB

Jahresthema

In jedem Jahr werden mehrere Ausstellungen durch ein Thema in einen Kontext gestellt. Verschiedene Perspektiven auf ein Thema erleichtern den Zugang und steigern Verstehen und Spaß beim Erleben von Kunst.

2024: Stories